Ich habe lange überlegt, ob ich meiner Fender Roadworn Strat in olympic white (3,02 Kilo leicht, unglaublicher Attack für eine Rosewood-Strat) diesen Pickup gönnen sollte.....das Grundproblem:
Die Roadworn war ein absoluter Spontan-Kauf, eigentlich wollt ich nur Saiten mitnehmen, hab die Roadworn dann an der Wand hängen sehen, spontan angespielt und mich spontan verliebt.....zuhause dann das übliche "Schatz, was brauchst du denn NOCH eine Gitarre....." na kennt ihr diese Sätze? ;-)
Da ich bei fast allen Strats die Fender Custom 69er eingebaut hatte (meine bisherige Referenz in Sachen authentischer Sixties/Hendrix-Sound) fiel mir im Direktvergleich auf, dass die in der Roadworn verbauten TexMex-Singlecoils die klangliche Substanz dieser Gitarre nicht 1:1 wiedergeben.
Da waren einfach zu viele Mitten und zu wenig "Glocke" im Sound, klang zwar angezerrt durchaus spritzig, aber die Dynamik war bei weitem nicht so gut wie bei den Custom 69ern....
Nun zum Antiquity-Pickup:
Allein die Verpackung mit Jutesäckchen macht ordentlich was her, man merkt deutlich, dass hier die Topversion der Singlecoils aus Seymour Duncans Manufaktur am Start ist. Auch das Aging des Pickups wirkt nicht übertrieben sondern sehr authentisch.
Interessantes Detail:
Ähnlich wie die Custom 69er (die ja auch eine Vintage-Replik darstellen) sind auch hier dicke Stoffkabel verlötet und auch die Grundplatte des Singlecoils hat dieses papp-ähnliche graue Material (Experten wissen sicher, wie das Material genau heisst, wirkt halt ähnlich extrem zähe Pappe). Es scheint doch was dran zu sein, wenn Hersteller mit möglichst originalgetreuer Reproduktion werben...
Nach dem Einbau des Pickups sofort neue Saiten aufgebockt (11-49er D`Addario) und gestimmt und der erste Check:
Wow.....es klingelt dass es eine wahre Freude ist......ich will spontan an meinem Axe FX beim virtuellen Dumble die Höhen etwas zügeln.....merke aber nach ein paar Licks, dass sich meine Ohren nur ein wenig „neu justieren“ müssen....dieser Pickup zeigt buchstäblich selbst dem Fender Custom 69er , wo die Glocken hängen.....ein toller Sound, auch verzerrt klingt das richtig geil.
Meine Skepsis, ob der Pickup dem legendären Ruf, den die noch junge Antiquity-Serie von SD hat gerecht wird, ist verflogen....ein toller dynamischer Sound, der es sagenhaft schafft, gleichzeitig süss oder auch dreckig (im positiven Sinn, denn alle Frequenzen werden ausgewogen abgebildet) zu klingen, man selbst entscheidet durch sein Spiel und Anschlag, wie es klingen soll.
Diesen Pickup zeichnet eine Eigenschaft aus, die man logischerweise nicht in Youtube-Videos oder Sounddemos findet sondern nur durch eigenes Ausprobieren:
Dieser Pickup hat den berüchtigten „Nöck“ (ich hasse dieses Wort, kenne aber auch kein besseres) im Sound und verhält sich vorbildlich, was die Reaktion auf die Spielweise und Dynamik des Spielers betrifft:
Ich erwische mich dabei, wie ich einzelne reduzierte Blues-Licks immer und immer wieder spiele und dabei nur den Anschlag variiere. Der Sound macht süchtig, die Strat beisst oder säuselt, bildet aber immer genau das ab, was ich mit Fingern und Plek vorgebe
Richtig deutlich wird’s im Direktvergleich mit meiner US Standard-Strat, die als einzigste die Stock-PUs drin hat: Deutlicher kann der Unterschied zwischen modernem Strat-Sound und klassischem 60ies-Stratsound nicht sein.
Mein Tipp: nehmt nen angezerrten Röhrenamp (oder Axe FX-Modell ;-) und spielt mal Blueslicks ab dem 10. Bund aufwärts, je höher man sich bewegt, desto stärker „nöckt“ der PU, absolut geiler Sound, alles klingt plastisch und der Sound „atmet“ es klingt fast so, als wäre ein Compressor angeschaltet und eingestellt wie beim Intro von Under the Bridge.
Der Pickup erinnert an die Strat-Sounds der Gruppe Selig vom Album „Und endlich unendlich“ und da ist ja eine originale alte 60ies-Strat zu hören! Unheimlich wird es, wenn ich ein Plexi-Marshall-Preset am Axe FX eingestelle:
Es klingt dermaßen nach Mr. Frusciante von den Red Hot Chili Peppers, richtig geil und ich bin wirklich baff dass das möglich ist denn auch John spielt eine originale alte Strat aus den 60ern. Danke auch an Thomann, dass so ein doch eher spezieller Pickup auf Lager vorrätig ist :-)
Ich denke jetzt nicht mehr an den Anschaffungspreis sondern spiele lieber noch ne Runde ;-)
Ich glaube nicht, dass der Pickup auch in einer günstigeren Strat genauso toll klingt aber ich denke sowieso, dass Gitarrenanfänger die Qualitäten dieses Singlecoils kaum spüren werden.
Empfehlen würde ich sie definitiv jedem denn die Spielfreude wird definitiv geweckt! Es ist halt nur die Frage, ob man beispielsweise eine Squier Standard mit nem Pickup bestücken sollte, der die Hälfte der gesamten Gitarre kostet ;-) Schlechter wird der Sound dann sicher nicht, nur ist halt die Kette nur so stark wie das schwächste Glied. Das gilt natürlich auch für die Wahl der richtigen Verstärkung.
Noch eine Ergänzung am Schluss:
Lasst euch nicht davon irritieren, dass der Pickup als „Surf“-Modell bezeichnet wird, natürlich kann man damit gepflegte Dick Dale-Riffs spielen aber der Pickup ist für jeden empfehlenswert, der damit Blues, Funk oder was auch immer spielt. Ich glaube nur, dass er für Hardrock-Riffs oder Blackmore-Sounds nicht wirklich gut geeignet ist aber das is nur meine Vermutung.
Damit ich mir nicht nur einbilde, was ich jetzt höre (oder aufgrund des Preises vom Pickup hören will ;-) , habe ich vorher mit dem TexMex am Hals ein paar Licks aufgenommen und die gleichen Licks mit gleichem Setup mit dem neuen Pickup gespielt, ein Unterschied wie Tag und Nacht.
Fazit:
Für mich ist das mein neuer Lieblings-Strat-Pickup und jeden verdammten Cent wert, auch aufgrund der Akribie bei der Herstellung und der Detailversessenheit von Seymour Duncan. Erfahrung, definitiver Materialeinsatz und Handarbeit zahlen sich einfach aus. Alle, die eine akustisch gute Strat haben: Traut euch, ihr werdet es nicht bereuen.