Ja, richtig gelesen: Dieser angebliche 35- Watt- Verstärker ist von Erscheinen und Musikleistung ein 50 Watt- Gerät, d.h. man erreicht nie seine Leistungsgrenzen. Ich vermute, er wird als 35 W ausgewiesen, um nominell eine Distanz zum 90 W Giganten zu wahren, der, sollte es einen "Mark V 50" geben, sicher nicht mehr so gut über den Ladentisch ginge.
Über die Mark V- Serie ist ausreichend geschrieben worden. Man ist einig, daß es sich hier um einen der besten (leider auch teuersten) Gitarrenverstärker überhaupt handelt.
Was aber macht nun gerade den Mark V 35 interessant? Ich besitze auch den Mark V 25. Der ist für tatsächlich praktisch Alles locker ausreichend. Lautstärke? Druck? Fülle? Immens. Alles Weitere wäre Körperverletzung. Ich habe jedoch die besondere Anwendung, laute cleane Jazz- Soli aus einer ES 335 durch 2 Kompressoren in die ohnehin Röhren-komprimierende Clean- Vorstufe zu spielen. Das ist ein Ton solcher Dicke, daß der Mark V 25 da ganz leicht anfängt zu verzerren. Da ich alles andere an diesem Amp jedoch schätze, mußte der Mark V 35 her.
Der Cleansound ist für mich mitentscheidend, und das machen die Boogies so voll, warm und klar, wie ich es von keinem anderen Hersteller kenne.
Der Mark V kann (bis auf "Marshall") Alles, und zwar nicht irgendwie, sondern in Spitzenqualität. Jazz, Soul, Blues, Rock, Metal: Alles drin, alles bestens.
Die Extras machen viel aus: Der graphische EQ ist notwendig, um aus dem Rohmaterial matschfrei den Crunch- oder Solo- Sound zu formen. Der "Boost"- Mittenregler ist tatsächlich ein Röhren- Overdrive und bildet einen eigenen Vorstufensound. Das macht dann also sieben (7) Vorstufen zur Auswahl.
Die Solosounds sind unglaublich: Kräftig statt klirrend, fett bis bissig. Mit dem ersten Anspielen eines Mark V habe ich mich gleich zu Hause gefühlt (im Gegensatz zum "Express 5:50 +").
Die Boxensimulation habe ich noch nicht genutzt, aber nett, daß sie da ist. Den Hall mag ich nicht: Verschwimmender Kathedralensound. Ich spiele einen guten Digitalhall in der - problemlosen - Effektschleife. Lauter Gehäuselüfter.
Ungefragt ein Wort zu den Boxen: Wer seine Anlage tatsächlich gelegentlich bewegt, zum Beispiel in einem Kleinwagen, wird die Kompaktheit des 25W Modells zu schätzen wissen - auch der "35 W" ist noch gut und einhändig transportabel. Tip: Statt im Flightcase transportiere ich den 35W in einem "Accu-Case ATP-22 Padded Bag". Passend nutze ich von MesaBoogie eine "wide body 1x12" open back" Box, die tadellos überträgt, sowie bei Auftritten zusätzlich eine MesaBoogie Thiele Box, meist als Monitor . Das alles ist ebenso unauffällig wie mächtig.
Fazit: Der "25 W" ist ideal - meine Empfehlung. Für Spezialanwendungen, für Leute mit Hörschaden (oder die einen solchen erwerben wollen): Der "35 W". Wer schrankgroße Boxen beatmen will oder unbedingt einen dritten Kanal braucht (und Bodentreter nicht mag): Der "90 W". Viel Spaß!
UPDATE nach eineinhalb Jahren: Die Boxensimulation ist super / -praktisch , wie gut mikrophoniert. Der Lüfter nervt: In der Band ok, doch wer den Amp zuhause nutzen will, sollte sich da z.B. einen leisen Computerlüfter hineinsetzen. Wegen des DIN- Anschlusses muß ich den großen originalen Fußschalter benutzen, obwohl ich tatsächlich nur einen einzigen Tretknopf für die Kanalumschaltung bräuchte. Doch das sind kleine Schönheitsfehler: Der Amp ist Maximalversorgung, mehr braucht man nicht.