Wir haben mittlerweile mehrere digitale Sennheiser EW-D Funkstrecken im Betrieb, die wirklich eine Revolution bzgl. Preis-/Leistungsverhältnis, Zuverlässigkeit, einfache Bedienung und vor allem Soundqualität darstellen. Eigentlich macht sich Sennheiser damit gegenüber den hauseigenen analogen EW-Serien 100 und 500 selbst Konkurrenz – aber natürlich gut für den Kunden mit professionellem Anspruch und überschaubarem Budget.
Die Funkstrecke kann natürlich nur das übertragen, was an der Quelle – also dem Mikrofon-Wechselkopf – ankommt. Insgesamt hängt der „Stimm-Sound“ natürlich von den eigenen Präferenzen und subjektivem Hörempfinden ab. Dennoch gibt es bei den Mikrofonkapseln bei Sennheiser selbst doch erhebliche Unterschiede im Ergebnis. Dabei haben wir aktuell die Erfahrung machen müssen, dass teurer nicht unbedingt „besser“ bedeutet. Es wurden ausgiebig 5 verschiedene Sennheiser Mikro-Module im Preisbereich von ca. 100,- € bis 500,- € getestet und direkt miteinander verglichen, sowohl mit der Charakteristik Niere, als auch Supernieren-Wechselkapseln.
Ziel des umfassenden Vergleichs mit verschiedenen PAs, Studio-Monitoren, InEar-Systemen und hochwertigen Kopfhörern war es, für den Live-Gesang im angegebenen Preisbereich von ca. 100,- € bis 500,- € eine Sennheiser Mikrofon-Wechselkapsel zu finden, die folgende Anforderungen zu erfüllen hatte:
- guter, präsenter, „knallharter“ durchsetzungsfähiger Sound für Männer- und Frauenstimmen, sowohl „a capella“ bzw. Ballade, als auch im gesamten Band-Kontext mit umfangreichem Arrangement
- möglichst rückkopplungsarm
- ein nicht ganz so stark ausgeprägter Nahbesprechungseffekt
Alle Vergleichstests wurden ohne jegliche EQ-Einstellungen, also „flat“ gemacht – bis auf das obligatorische Hochpassfilter bei ca. 100Hz bis 120Hz. Des Weiteren war eine leichte Kompressor-Einstellung (wie im Live-Einsatz) aktiv, um die Durchsetzungsfähigkeit und Feedbackanfälligkeit der jeweiligen Mikro-Kapsel zu testen und zu beurteilen. Weiteres „Feintuning“ wurde nicht vorgenommen.
Als Sound-Grundlage diente die mit dem EW-D mitgelieferte Kapsel MMD 835 als erstes Vergleichsobjekt und „unterste Referenz“. Die Nierenkapsel liefert ein gutes, transparentes Stimmbild mit relativ viel Präsenz und kann sich sowohl bei Sprechern, als auch Sängern gut im Mix durchsetzen. Laute wie leise Töne, bei Männer- und Frauenstimmen, werden adäquat wiedergegeben. Sehr gute Feedback-Unterdrückung und wenig Griffgeräusche. Wir haben auch mehrere kabelgebundene E835 im Einsatz, die schon seit vielen Jahren als Geheimtipp bzgl. Preis-/Leistungsverhältnis gelten. Für die Qualität des 835 könnte Sennheiser eigentlich mindestens das Doppelte nehmen.
Als Vergleich nun die ca. 5-mal teurere MM435-Kapsel (ebenfalls Niere), die ich aufgrund des Frequenzganges und von reichlich Hörproben (Youtube) bestellt hatte. Natürlich löst die MM435 feiner auf, kann sich aber gegen die MMD835 keinesfalls im Bandkontext durchsetzen. Weder „a capella“, noch bei „volle Röhre“ Rockmusik oder BigBand. Es fehlt (einige Rezensenten im Internet hatten es schon geschrieben – ich wollte dieses aber zunächst nicht glauben… :-) eindeutig „der Biss“, um die Stimme im Zusammenhang mit einem reichhaltigen Instrumentarium und Arrangement in den Vordergrund treten zu lassen. Dieses kann man selbst bei Nutzung von z.B. Halbplaybacks hörbar überprüfen. Alles in allem war die MM 435 gegenüber der MMD835 eine herbe Enttäuschung.
Also die „Superniere“ MM 445 (ebenfalls ca. 5-mal teurer als MMD835) getestet. Gesamtergebnis schon viel besser, als MM 435. Ähnliche Präsenz und Ansprache wie MMD835, natürlich viel besser im Hochtonbereich aufgelöst. Alles in allem vom Höreindruck im Bandkontext ähnlich dem MMD835. Trotzdem hat sich das MMD835 durch etwas „mehr Biss“ ein Quentchen besser durchgesetzt. Durch das ähnliche Resultat fanden wir den fast 5-fachen Preisunterschied daher nicht gerechtfertigt.
Auf der Suche nach einer wirklich hörbaren und vor allem im Live-Betrieb bemerkbaren Verbesserung der Stimm-Durchsetzungsfähigkeit (mit Sennheiser-Kapseln bis ca. 500,- EUR) wurde nunmehr die Nierenkapsel MMD935 probiert. Okay, in der Auflösung natürlich etwas besser als die MMD835, aber vom Höreindruck ähnlich und vergleichbar. Und wieder hat die MMD835 bzgl. Durchsetzungsfähigkeit gewonnen… Der ca. doppelte Preis gegenüber der MMD835 konnte soundtechnisch nicht begründet werden.
Beinahe schon entnervt – und mit der Vermutung, dass es bis ca. 500,- EUR wohl nichts von Sennheiser gibt, das die MMD835 im Live-Betrieb als Allrounder schlagen könnte – haben wir dann noch (ohne große Hoffnungen!) die Superniere MMD945 bestellt. Und damit ging tontechnisch die Sonne auf! Egal, was man der MMD945 als Quelle vorsetzt, Rock oder Ballade, a capella oder BigBand, Mann oder Frau, Lead-Vocal oder Background-Gesang, Liedermacher oder Rockröhre – diese Wechselkapsel von Sennheiser hat die Bezeichnung „Durchsetzungsfähigkeit“ wirklich verdient! Eine wirklich (vor allem im Bandkontext oder Playback) hörbare Verbesserung gegenüber der schon sehr guten MMD835, dabei auch „nur“ ca. doppelt so teuer. Auflösung der MMD945 natürlich, vor allem im Hochtonbereich, sehr viel besser. Für uns jetzt „der Allrounder“. Sogar Background-Vocals kommen jetzt live viel besser zur Geltung (endlich hört man auch ´mal die Stimme!). Der Lead-Gesang ist damit wirklich „führend“, ohne schrill und nervig zu klingen. Man muss auch nicht unbedingt am Mikro-Korb „kleben“, sondern kann ganz entspannt auch ´mal ein oder zwei Zentimeter Abstand vom Korb nehmen, um den gleichen angenehmen Nahbesprechungseffekt wie bei den anderen Kapseln bei gefühltem Verschlucken des Mikro-Korbes zu haben. Das MMD945 schmeichelt auch irgendwie den verschiedenen Stimmen. Diese klingen durchweg sehr ausgewogen und „warm“, trotzdem präsent bei voller Durchsetzungsfähigkeit.
Und hier unsere persönlichen Ranking-Listen bei verschiedenen Kategorien.
Live-Einsatz, Vielfältigkeit, Allrounder-Qualitäten, Vocal-Durchsetzungsfähigkeit:
1. MMD945
2. MMD835
3. MMD935
4. MM445
5. MM435
Preis-/Leistungsverhältnis:
1. MMD945/MMD835
2. MMD935
3. MM445/MM435
Wenigste Feedbackanfälligkeit:
1. MM435/MMD835/MMD935
2. MMD945/MM445
Hinweis: Unterschiede teilweise nur marginal, alle Modelle z.B. besser als Shure Beta58A… Auffallend war, dass – z.B. bei seitlichem Einsprechen – die Nieren-Kapseln unempfindlicher gegenüber Feedback waren, als die Supernieren-Modelle, was aber auch ersichtlich durch die entsprechenden Polardiagramme ist. Als Empfehlung also immer selbst ausprobieren…